Das Schulsystem in Schweden
Das schwedische Schulsystem unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Schulsystem. Nachdem die Kinder einen Kindergarten und die freiwillige Vorschule besucht haben, beginnt ab dem 6./7. Lebensjahr der Ernst des Lebens, denn nun beginnt die Schulpflicht, die bis zum 16. Lebensjahr besteht. Die ersten 6 Jahre besuchen sie eine Grundschule, die so genannte „grundskola“. Direkt im Anschluss beginnt eine dreijährige Gymnasialschule, die jedoch mit einem deutschen Gymnasium nicht verglichen werden kann. Bereits im Gymnasium finden große Teile der Berufsausbildung statt. Die Schüler können zwischen 17 Ausbildungsprogrammen wählen, von denen 14 berufsbildend sind, zwei davon sind studienvorbereitend und ein Programm ist sowohl berufsbildend als auch studienvorbereitend. Im Gegensatz zu Deutschland findet eine schulische Benotung erst ab dem sechsten Schuljahr statt. Es gibt nur drei Noten „durchgefallen, bestanden oder sehr gut“, wobei selbst für die Note „sehr gut“ nur eine Gesamtpunktzahl von 75% notwendig ist. Diese Punktzahl würde in Deutschland nur einer gewöhnlichen „drei“ entsprechen.
Die Schulzeit beginnt um acht Uhr morgens und endet um 15 Uhr am Nachmittag, ein reichhaltiges Mittagessen erhalten die Schüler in der Schulkantine. Sowohl der Schulbesuch, als auch die Lernmittel, Schulmahlzeiten und Schultransporte sind kostenlos.
Von Juni bis August haben die Schüler für zwei Monate Sommerferien. Für die Schüler stehen zwei unterschiedlich ausgebildete Lehrerstufen zur Verfügung. Lehrer, die Kinder der ersten bis sechsten Klasse unterrichten, genießen eine 3 ½-jährige Ausbildung, für die älteren Kinder von der vierten bis neunten Klasse benötigen die Lehrer eine 4 ½- jährige Ausbildung. Während der neunjährigen Schulpflicht werden die Schüler nicht voneinander getrennt, so soll die Ausbildung von stabilen und andauernden Beziehungen gefördert werden. In der neunten Klasse entscheiden die Schulnoten, welche Ausbildungsgänge im Gymnasium besucht werden können. Nach der neunten Klasse endet für die Schüler die Schulpflicht, wobei etwa 80% aller Schüler anschließend das Gymnasium besuchen.
Der Schulalltag kann von den einzelnen Schulen selbständig strukturiert werden. Schon in der fünften und sechsten Klasse sollen die Schüler lernen, selbständig zu arbeiten. Die Schüler erarbeiten gemeinsam mit dem Lehrer einen Wochenplan, in dem festgelegt wird, wann die Schüler allein arbeiten, wann sie in einer Gruppe arbeiten und wann sie gemeinsam mit dem Lehrer arbeiten. Nach der neunten Klasse haben Schüler die Möglichkeit, entweder die Schule zu beenden, da die Schulpflicht nun endet. Der zweite Weg wäre, ein Gymnasium zu besuchen. Berufsschulen, wie man sie aus Deutschland kennt, gibt es in Schweden nicht. Berufsvorbereitende Maßnahmen werden im Gymnasium angeboten. Wenn der Schulabschluss geschafft ist, wird in Schweden lauthals gefeiert. Dieses Fest wird „studentexamen“ oder auch „Der Tag der weißen Mützen“ genannt. Natürlich fällt dieses Fest auf jeder Schule etwas anders aus. Oftmals treffen sich die Studenten, wie sich jetzt nennen, im Park und nehmen ein Champagner-Frühstück zu sich. Hinterher geht es zur Schule zum Fototermin. Traditionell tragen die Schulabgänger weiße Mützen, die an die Kopfbedeckung eines Matrosen erinnert. Dieser Brauch geht zurück bis in das Jahr 1843, der aufgrund der schwedischen Studentenbewegung in Uppsala eingeführt wurde.
Sommerblumen und schwedische Flaggen gehören natürlichen auch dazu. Im Anschluss nach dem Fototermin werden die Abschlusszeugnisse verteilt. In jedem Haushalt sind die eingerahmten Fotos der Kinder und Enkelkinder mit den Studentenmützen zu sehen. Einerseits werden die Feste regional recht unterschiedlich gefeiert, doch eines haben sie dennoch gemeinsam. Das Studentenfest gehört neben dem Mitsommerfest zum feucht-fröhlichsten Fest des Jahres. Über hupende Autos mit grölenden, angetrunkenen Jugendlichen darf man sich an so einem Tag nicht wundern. Das Studentenfest findet immer am Tag vor der Walpurgisnacht, dem 30. April, statt. An dem Tag werden auch die Zeugnisse verteilt. Etwa 40% aller Schüler, die das Gymnasium besucht haben, beginnen innerhalb von drei Jahren mit einem Hochschulstudium, das ähnlich aufgebaut ist wie in Deutschland.
Obwohl schwedische Schüler in der PISA-Studie deutlich besser abgeschnitten haben, als deutsche Schüler, wird das schwedische Schulsystem häufig kritisiert. Besonders von deutschen Schülern und Eltern, die einen Teil ihrer Schulbildung in Deutschland genossen haben und später einige Jahre in Schweden zur Schule gingen. Als besonders nachteilig wird empfunden, dass die Schulbenotung erst sehr spät erfolgt. Da es weder eine Haupt- oder Realschule gibt und Schüler nicht sitzen bleiben können, werden gute Schüler nicht gefördert und das Unterrichtsniveau orientiert sich an den schlechteren Schülern. Die Klassenstufe kann nur dann wiederholt werden, wenn die Eltern ihre Zustimmung geben.
Durch den fehlenden Leistungsdruck stumpfen gute Schüler ab und verlieren schnell das Interesse. Diese Problematik haben mittlerweile auch viele Schweden erkannt und schicken ihre Kinder deshalb auf Privatschulen, auf denen die Schüler besser gefordert und gefördert werden. Wer mit dem Gedanken spielt, nach Schweden auszuwandern, sollte sich über eines im Klaren sein. Ein großer Nachteil ist, dass jeder, der sich sich gesellschaftlich von der Masse abhebt, schnell als Außenseiter angesehen und entsprechend gemieden wird. Hat man zu einem bestimmten Themengebiet eine andere Meinung oder weiß gar etwa besser als andere, wird man schnell ins gesellschaftliche Abseits geschoben. Manchmal ist es einfach besser, wenn man den Mund hält und seine persönliche Meinung für sich behält. Dieses Phänomen hat bei den Schweden einen Namen: „lagom“. Dieses Wort wird in einem anderen Kapitel ausführlich behandelt. Aber in diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass „lagom“ mit keinem deutschen Wort zu übersetzen ist. Man kann es nur umschreiben, als „Mittelmaß“ oder „genau richtig“. Alle haben eine ähnliche Meinung und wissen das Gleiche. Wer sich nicht daran hält, gilt als Außenseiter. In diesem Punkt entscheidet sich die schwedische Mentalität stark von der deutschen.